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Collage: Klawe Rzeczy; Bildquelle: Getty Images

Transformation durch und über die Marke führen: Die Welt verändert sich dramatisch. Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Wertewandel und New Work hinterfragen und erneuern Arbeitsweisen, Rolle und Aufgaben von Organisationen. Corona hat diesen Wandel beschleunigt. Wie geht es weiter?

Die wohl größte Veränderung in der Arbeitswelt: Homeoffice statt Anwesenheit. Waren es vor der Krise gerade mal 39 Prozent der Arbeitgeber, die ihren Mitarbeiter*innen die Freiheit gaben, für einige Tage im Monat auch außerhalb des Unternehmens zu arbeiten (Umfrage des Digitalverbandes Bitkom), hat Corona (fast) alle Unternehmen zum Umdenken und Handeln gezwungen. Vor allen Dingen hat sich aber mit der Lockerung der Präsenzpolitik der Arbeitsraum stark verändert. Die Designagentur Mutabor schreibt dazu: „Vor Corona kam das Home ins Office – und nun kommt das Office ins Home“. Aus dem aktuellen Kontext ergeben sich damit aus unserer Sicht zwei relevante Fragen:

Welche Bedeutung, Rolle und Aufgabe hat dieser neue Arbeitsraum für Organisationen und Menschen?

Wie müssen sich Organisationen umstellen und sich den neuen Herausforderungen stellen, ohne sich selbst zu verraten und ihre Identität aufzugeben?

Wir wissen, dass 70 Prozent aller Transformationsprozesse scheitern. Ron Ashkenas stellte bereits 2015 heraus, dass der Hauptgrund für das Scheitern von Transformationsbemühungen in der Kultur der Organisation liegt, mithin nicht im Vorhaben an sich, sondern der Haltung. Kultur, verstanden als Kombination der organisationstypischen Strukturen und Prozesse, der Besonderheiten der Führung und des zwischenmenschlichen Beziehungen, ist also einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren für Transformation.

Der Zusammenhang von Kultur und Raum

Aber welche Beziehung gibt es zwischen Kultur und Raum? Raum und Architektur geben der Kultur eine Gestalt, manifestieren Identität und dokumentieren einen Anspruch. Diesen engen Zusammenhang zwischen Kultur und Raum finden wir bereits in der antiken Tempelarchitektur – er reflektiert die Identität von Gesellschaften. Bewegen wir uns in die Gegenwart, so finden sich genügend Beispiele auf internationaler Ebene: Von Qatar über China bis zu den europäischen Metropolen machen Raum und Architektur einen Geltungsanspruch erlebbar. Und Organisationen stehen dem in nichts nach.

„Raum und Architektur geben der Kultur eine Gestalt, manifestieren Identität und dokumentieren einen Anspruch.“

Die Räume von Google wurden zum Symbol der Innovationskultur, die Architektur des Headquarters von Apple macht den Führungsanspruch des wertvollsten Unternehmens der Welt klar, und auch Frank Gehrys Gebäudekomplex für Facebook macht schnell erlebbar, das es sich um eines der mächtigsten Unternehmen der Welt handelt. Dies geschieht unter anderem durch den Einsatz ikonischer Architektur, aber auch durch die Neuerfindung der typischen, jahrelang gelernten Arbeitsinteriors samt offener Räume, bunter Farben, Sitzsäcke und Café-Ecken. Norman Foster hat für Bloomberg in London ein siebenstöckiges Gebäude gebaut, obwohl die Anzahl der Mitarbeiter*innen bisher nur drei bis vier Etagen füllen. Das Zeichen: Wir wachsen.

Kluge Start-ups machen mit der Gestaltung des Raums deutlich, wie sie ihre Kultur definieren und erlebbar machen. Und auch manch deutscher Mittelständler zeigt mit neuen Gebäuden und Interieurs, wo die Reise hingehen soll.

Wie kann Raum dabei helfen, Veränderungen zu initiieren?

Um eine Innovationskultur zu entwickeln und nachhaltiges Wachstum voranzutreiben, müssen die Menschen innerhalb einer Organisation in die Lage versetzt werden, wie Unternehmer zu denken, zu handeln und zu fühlen. Dabei spielen Räume eine zentrale Rolle: Räume geben Halt. Räume zeigen Zukunft auf. Räume manifestieren Wandel. Und das ist in Veränderungsprozessen eine elementare Aufgabe.

Denn wir wissen, dass erfolgreicher Wandel nur mit den Menschen funktioniert. Genau das spiegelt auch eine Sasserath-Munzinger-Plus-Studie aus dem Jahr 2018 wider. Hier gaben nur 34 Prozent der Befragten in Unternehmen an, dass sie den Transformationsprozess insgesamt positiv erleben – häufig fehlen Sinn und Motivation. Aber ohne Sinn und Motivation gibt es für die Menschen keinen Anreiz, bei der Transformation mitzumachen. Sie werden den Wandel nicht vorantreiben.

Die Kraft der Marke in Transformationsprozessen

Für uns kommt der Marke hier eine solitäre identitätsstiftende und kulturbildende Rolle zu. Angelehnt an das Konzept des „Boundary Objects“, das Fragen wie „Wo stehe ich?“, „Wo kann ich hin?“,  „Was sind meine Grenzen?“ umreißt, verstehen wir Marke als mehrdimensionalen Raum, der definiert, wo die Organisation heute verortet wird. Gleichzeitig zeigt die Marke aber auch die Richtung auf, in die sich eine Organisation unter Berücksichtigung ihrer Grenzen entwickeln muss. Somit gibt die Marke den Bezugsgruppen nach innen und außen Halt und Orientierung.

Im markengesteuerten Transformationsprozess – wir nennen ihn „Transformational Branding“ – erstreckt sich der Wirkbereich der Marke somit von der Strategie des Unternehmens über die Kultur und Führung bin hin zu den Schnittstellen der Strukturen und Prozesse, was sich dann alles in der Raumgestaltung entsprechend wiederfindet. Ein nachvollziehbares Beispiel zeigt der Umbau der Konzernzentrale der Deutschen Telekom in Bonn, die sich von einem klassischen hierarchischen Unternehmen zu einem offenen kollaborativen Arbeitsraum verändert hat: Es wurden „Brand Rooms“ geschaffen, die starren Bürostrukturen wurden aufgelöst und offene flexible Arbeitsstrukturen eingeführt, in denen sich der Anspruch der Telekom – „Erleben, was verbindet“ – auch im Arbeitsalltag der Mitarbeitenden manifestiert.

Der Transformationsprozess

In der Analysephase dient die Marke als ganzheitliche Projektionsfläche, die hilft, die Dysfunktionalität in Organisationen besser zu verstehen. Die Marke macht es den Menschen leichter, psychologisch schwierige und komplexe Sachverhalte einfach zu artikulieren. So fällt es Unternehmern und Vorständen viel leichter, Schwächen bei der Unternehmensmarke einzugestehen, als wenn sie diese direkt der Organisation zuschreiben.

Der Start der Transformation liegt in der Erkenntnis des Leidensdrucks, der sich für die Organisation klar manifestieren muss. Man spricht in diesem Kontext vom Sense of Urgency. Ohne Sense of Urgency kein Wandel. Faszinierenderweise ist die Energie für die Zukunft meistens bereits im Unternehmen vorhanden. Häufig befindet sie sich aber in einer Art Dornröschenschlaf und muss wachgeküsst werden. Ein Eintauchen in das Unternehmen, in seine Historie, aber auch seine ganz manifeste Architektur und seine Räume bringt in den meisten Fällen bereits ein tiefes Verständnis für die inhärente Stärke der Organisation. Dieses Verständnis der Identität bildet durch die Marke ein normatives Framework für die Ausrichtung der Transformation und somit für die Zukunftssicherung der Organisation. In dieser Phase wird der strategische Fokus der Transformation gesetzt. Das geschieht zuallererst auf der Basis einer klar definierten Markenidentität, die sowohl die leistungsfaktische Basis („Was kann ich?“) als auch die Werte („Wie bin ich?“) relevant, einzigartig und widerspruchsfrei herleitet und parallel dazu gestaltgebende Manifestationen festschreibt, die sich im Raum umsetzen lassen – ganz konkret etwa in seiner Form und Gestaltung, in der Hierarchie von offenen hin zu privateren Zonen und so fort. Die Marke wird zum Referenzpunkt für die Sinnstiftung, Vermittlung und Initiierung der Transformation.

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Brand ID Platform

Ein Transformationsnarrativ legt die Erzählstruktur des Wandels fest – einfach, klar und nachvollziehbar. Ein konkret definiertes Anliegen für die Zukunft, ein Purpose oder auch eine klassisch definierte Vision und Mission funktionieren als Leitstern für die zukünftige Ausrichtung.

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Bausteine eines Narrativs

Im nächsten Schritt wirkt die Marke als normatives Framework und schafft den Rahmen für die Operationalisierung und Konkretisierung der Transformation. Wichtig dabei ist eine dauernde und transparente Rückkopplung und Kommunikation mit den Mitarbeiter*innen.
Als Startpunkt dient eine Diskussion mit ausgewählten – möglichst divers selektierten – Mitarbeiter*innen darüber, wie sie ihre neue Identität verstehen. Wenn hier früh ein gemeinsames Verständnis geschaffen wird, wächst die Chance auf eine erfolgreiche Transformation enorm. Das Gefühl, ein Teil der Bewegung zu sein, schafft Motivation, erfüllt mit Stolz und entwickelt einen „Sense of Ownership“ bei den Mitarbeiter*innen. Architektur kann hier ein zentraler Hebel sein, Motivation zu stiften. Denn über Raum und Gestalt ist es möglich, Bewegung zu manifestieren, Wertschätzung zu kommunizieren und durch ein neues Umfeld unternehmerische Energie freizusetzen. So werden Mitarbeiter*innen zu Botschaftern des Wandels, sind bereit mitzugestalten und arbeiten an Maßnahmen mit. Das Ergebnis: der Rahmen für die Implementierung steht, die Arbeit mit den Mitarbeiter*innen wird vertieft. Hierfür lässt sich eine einfache Vier-Felder-Framework nutzen:

1. Was sind die Baustellen, die Herausforderungen, was die Barrieren, die wir überwinden müssen? Diese werden gemeinsam definiert und priorisiert.

2. Es gibt nicht nur Baustellen, sondern bereits gute Manifestationen. Diese Leuchttürme aus Sicht der Mitarbeiter*innen werden ebenso gesammelt und priorisiert. Baustellen und Leuchttürme sind gegenwartsorientiert und die Mitarbeiter*innen arbeiten bereits an der Gestaltung der Zukunft mit neuen Ideen.

3. Auch die Ideen werden gemeinsam priorisiert.

4. Als Nebenprodukt werden goldene Regeln definiert: ein Verhaltenskodex oder ein How-to für die Organisation der Zukunft.

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4-Felder-Matrix

Gesamthaft entwickelt sich ein kollektiver Masterplan der Transformation, der über die nächsten 24 Monate Früchte trägt, ein klar priorisiertes und umsetzbares Gerüst zur Zukunftssicherung.

Epilog

Die Welt ist im Wandel, und mit diesem Wandel müssen sich Organisationen und die Art zu arbeiten verändern. Das hat immense Auswirkungen auf die Arbeitsraumgestaltung, und Unternehmen Wandel müssen die Veränderungen, die sie durchlaufen, auch auch in ihren Räumen manifestieren. Zukunftssicherung ist jedoch eine der schwierigsten Aufgaben. Wir glauben an die Kraft der Identität, um den Wandel zu bestreiten. Identität gibt Halt und Orientierung für die Zukunft. Über das Konstrukt des Transformational Brandings schafft die Identität über den ganzen Prozess des Wandels ein hocheffektives Framework. Identität muss allerdings erlebbar werden, und Kultur muss eine Gestalt bekommen, um wirksam zu sein. Hier kommt Raum und Architektur eine hervorgehobene Rolle zu. Wir sollten die Kraft der Identität und des Raums nutzen, um heute eine bessere (Arbeits-)Zukunft zu schaffen. Eine identitätsbasierte Transformation bedeutet auch eine Veränderung der Architektur und des Arbeitsraums, der sich an die agilen, kollaborativen und hybriden Herausforderungen unserer Zeit anpassen muss. Eine historische Chance, die man mit großer Leidenschaft ausnutzen sollte.

„Identität muss allerdings erlebbar werden, und Kultur muss eine Gestalt bekommen, um wirksam zu sein. Hier kommt Raum und Architektur eine hervorgehobene Rolle zu.“